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Gemeinde Weingarten (Baden)

Aus dem Gemeinderat

Artikel vom 24.11.2021

1. Parkscheune Jöhlinger Straße: Vergabe wurde verschoben

Der Tagesordnungspunkt wurde von der Tagesordnung abgesetzt und soll nach Klärung von Unklarheiten aus der Vorlage am 29.11.2021 behandelt werden.

Zum Ausgleich der mit der Neugestaltung der Jöhlinger Straße weggefallenen Parkplätze im Straßenraum und zur Komplettierung ihres Parkraumangebots generell hat der Gemeinderat bereits zuvor beschlossen, auf dem rückwärtigen Bereich des Grundstücks Jöhlinger Straße 46 eine Parkscheune zu errichten. Unter mehreren Vorschlägen hatte sich der Gemeinderat seinerzeit für ein Modell mit 27 Parkplätzen entschieden, sechs davon überdacht, für brutto 184.000 Euro.

Im Oktober 2021 wurden die Tief- und Straßenbauarbeiten dafür beschränkt ausgeschrieben, an der Ausschreibung haben sich fünf Fachfirmen beteiligt. Mittlerweile lag eine Kostenprognose des Ingenieurbüros vom September 2021 vor, die sich auf rund 280.000 Euro belief. Das Bauvorhaben liegt im Sanierungsgebiet „Jöhlinger Straße“ und wird mit Fördermitteln des Bundes und des Landes in Höhe von rund 150.000 Euro gefördert. Das wirtschaftlichste Angebot, der Firma Reif aus Rastatt, lag jedoch bei 316.328 Euro und somit um 13 Prozent höher als die Kostenschätzung. Da aber das Angebot aufgrund der angespannten Situation dem aktuellen Marktniveau entspreche, schlug die Verwaltung vor, die Tiefbauarbeiten an die Firma Reif zu vergeben. Das konnte der Gemeinderat nicht mittragen. Diese hohe Kostensteigerung sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar, argumentierten die Fraktionssprecher.

Einstimmig beschloss das Gremium, den Tagesordnungspunkt abzusetzen und auf die nächste Sitzung am 29.11.2021 zu verschieben.

2. Geothermie bedarf tiefgründiger Diskussion

Die Deutsche Erdwärme GmbH stellte den Antrag auf Erteilung der bergrechtlichen Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdwärme, Sole und Lithium im Feld Karlsruhe-Süd II. Von diesem Antrag ist die Gemarkung Weingarten betroffen und die Gemeinde Weingarten wurde als Träger öffentlicher Belange zur Abgabe einer Stellungnahme an das zuständige Regierungspräsidium aufgefordert.

Bürgermeister Eric Bänziger trug vor, ein solcher Antrag habe der Gemeinde bereits im Jahr 2016 vorgelegen und sei damals vom Gemeinderat abgelehnt worden. Die Begründung habe gelautet, Weingarten sei bereits durch die bergrechtliche Erlaubnis zu einer Aufsuchungsbohrung nach Erdöl im Gewann „Bronnloch“ und durch zahlreiche noch vorhandene alte Ölleitungen aus den Erdölbohrungen in den 1960er Jahren stark belastet. Nun lasse die Klimaschutzdiskussion den Antrag in einem neuen Licht erscheinen. Das angestrebte Ziel CO2-frei zu werden, bedeute, mehr als 50 Prozent der Energie müsse aus nicht CO2-erzeugenden Energieträgern gewonnen werden. Die Ereignisse in der Gemeinde Staufen, die damals aufgrund von Geothermie-Bohrungen größere Abrutschungen erlitten habe, seien hier nicht vergleichbar. In Staufen seien mitten in der Stadt es oberflächennahe Bohrungen in wasserbindenden Keuperschichten vorgenommen worden. Hier werde eine völlig andere Art der Bohrung verwirklicht. Hier handele es sich um Tiefbohrungen in 2500 bis 3000 Meter Tiefe. Aus den Erfahrungen der Erdölaufsuchungsbohrung wisse man, dass in 1700 Meter Tiefe Gesteinsschichten mit hohen Temperaturen vorhanden seien. Erdbeben seien aus seiner Sicht nicht zu befürchten, denn die heutige Technik arbeite mit deutlich geringeren Drücken als damals. Die Gefahr, dass sich Erdbeben mit Folgen wie in Staufen ereignen, sei ausgeschlossen.

Die Stellungnahmen der Fraktionen zeugten nicht von eindeutiger Befürwortung. Nicolas Zippelius (CDU) erklärte, er stehe dem Vorhaben der Deutschen Erdwärme grundsätzlich offen gegenüber. Er könne anerkennen, dass die Auswirkungen nicht mit Staufen vergleichbar seien, aber negative Auswirkungen auf das Weingartner Moor könnten nicht ausgeschlossen werden. Das bedürfe noch näherer Erläuterungen. Nähere Informationen über die Vorgehensweise und ihre möglichen Folgen wünschte sich auch Hans-Martin Flinspach (WBB). Denn bekanntlich binde das Moor CO2, was dann freigesetzt werde. Carolin Holzmüller (FDP) meinte, jedes Bauvorhaben werde auf seine Auswirkungen geprüft, also auch dieses. So könne keine Stellungnahme abgegeben werden. Sonja Güntner (Grüne Liste) sah das Vorhaben grundsätzlich positiv, denn wenn Klimaschutz gewollt werde, müssten alternative Energieträger herangezogen werden. Und wenn der Klimawandel nicht gestoppt werden könne, sei auch das Moor nicht zu retten. Darum signalisiere sie Zustimmung. Werner Burst (SPD) konnte sich nicht vorstellen, dass sich die Geschichte aus dem Rheintal wiederhole. Wenn mit Vorsicht gearbeitet werde, könne er zustimmen. Bänziger fasste die einzelnen Gesichtspunkte zusammen: es müsse auf die besondere Situation des Weingartner Moors als Naturschutzgebiet hingewiesen werden. Der Hotspot liege aber eher Baggersee. Erdwärme sei notwendig, neue Technik liege vor, Erdbeben seien nicht zu befürchten, und wenn Klimaschutz gewollt sei, gehe an Geothermie kein Weg vorbei.

Gerhard Fritscher (CDU) schlug eine zweigeteilte Abstimmung vor. Der erste Teil solle eine aus Klimaschutzgründen grundsätzlich positive Haltung des Gemeinderates beinhalten. Für den zweiten Teil solle die Verwaltung, einen Entwurf für eine fundierte Stellungnahme erarbeiten und dem Gemeinderat zur Abstimmung vorlegen. Diesen Vorschlag befand Timo Martin (WBB) für sehr gut. Tiefgründigere Erläuterungen der Vor- und Nachteile seien besser als eine pauschale Befürwortung oder Ablehnung.

Das Gremium stimmte diesem Vorgehen einstimmig zu. Somit war die endgültige Beschlussfassung vertagt.

3. Änderungssatzung der Nutzungsgebühren für Obdachlosenheime beschlossen

Die Gemeinde Weingarten wird die Mietgebühren für ihre Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünfte dem aktuellen Satzungsmuster des Gemeindetages Baden-Württemberg anpassen. Sie hat sich dazu von der Allevo Kommunalberatung eine Gebührenkalkulation entwerfen lassen, die für den Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 31. Dezember 2023 gelten soll.

Der Verwaltungsausschuss hat den Vorschlag in nicht öffentlicher Sitzung beraten und dem Gemeinderat die Zustimmung empfohlen. Es liegen keine Kostenüberdeckungen vor, die ausgeglichen werden müssen. Die Kalkulation beruht auf einer flächenbezogenen Gebühr ohne Betriebskosten zuzüglich einer Personenbezogenen Betriebskostenpauschale. Das sei, so der Leiter der Finanzabteilung, Michael Schneider, die verursachungsgerechteste Methode und werde deshalb zur Beschlussfassung vorgeschlagen. Der ermittelte Gebührensatz beträgt pro Quadratmeter Wohnfläche im Monat 14,53 €. Dazu kommt die personenbezogene Betriebskostenpauschale in Höhe von 103,56 € pro Person und Monat. Eine dreiköpfige Familie in einer 50 qm großen Wohnung kommt somit auf einen Gesamtbetrag von 1.037,18 €. Zur Begründung der Angemessenheit dieses Betrages erläutert Schneider, dass die Unterkünfte teilmöbliert seien, Gemeinschaftsküche und Hausgeräte vorhanden seien, sowie dass Hausmeisterkosten und Pflege- und Instandhaltungskosten zu berücksichtigen seien.

Bürgermeister Eric Bänziger räumte ein, für Familien, die in der Regel vom Sozialamt gestützt würden, sei der Wohnungsmarkt in Weingarten schwierig, wenn diese Unterstützung wegfalle.

Timo Martin (WBB) führte angesichts dieser Zahlen aus, es handele sich nicht um Miete, sondern um Gebühren. Diese seien gerechtfertigt, da die Bewohner auch Kosten verursachten. Dazu erinnerte er an das Beispiel der aufgrund unsachgemäßen Gebrauchs ständig verstopften Schmutzwasserpumpe.

Der Gemeinderat beschloss einstimmig, der überarbeiteten Kalkulation als Änderungssatzung für den geltenden Zeitraum zuzustimmen.

4. und 5. Neue Gebührenkalkulation für Frischwasser und Abwasserbeseitigung beschlossen

Nach einstimmigem Beschluss des Gemeinderates wurden die Gebührenkalkulationen sowohl für die Abwasserbeseitigung als auch für die Frischwasserversorgung geändert und als Satzung beschlossen.

Die Allevo Kommunalberatung hat für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2024 eine Kalkulation erstellt. Danach wird die Frischwassergebühr im angegebenen Zeitraum auf 2,90 € pro Kubikmeter angesetzt, seit dem Jahr 2020 betrug diese Gebühr 2,92 € pro Kubikmeter, verzeichnet also einen geringen Rückgang.

Bänziger unterstrich, es sei eine dreijährige Kalkulation, in der die Wassergebühr gleichbleibe und sogar geringfügig zurückgehe, da die Gemeinde bei der Wasserversorgung keine Gewinnerzielung beabsichtige. Dennoch sei es eine Herausforderung in den nächsten Jahren, die Wasserversorgung auf sichere Füße zu stellen.

Die Abwassergebühr dagegen wird angehoben. Sie splittet sich in Schmutzwasser und Regenwasser. Die Schmutzwassergebühr betrug bisher 1,40 € pro Kubikmeter und wird – jeweils ab dem 1. Januar bis zum 31. Dezember – im Jahr 2022 auf 2,06 € pro Kubikmeter angehoben, im Jahr 2023 auf 2,22 € pro Kubikmeter und im Jahr 2024 auf 2,71 € pro Kubikmeter. Die Niederschlagswassergebühr wird anhand der versiegelten Fläche auf dem Grundstück berechnet. Sie betrug bisher 0,52 € pro Quadratmete und steigt parallel zur Schmutzwassergebühr ab dem 1. Januar 2022 auf 0,59 €, in 2023 auf 0,63 € und im Jahr 2024 auf 0,82 € pro Quadratmeter.

Hierzu verwies Bänziger auf die Belastungen der Gemeinde: Ein Fünfzigstel der Infrastruktur werde jährlich erneuert. Durch die überproportional gestiegenen Baupreise steigen jährlich die Instandhaltungs- und Erneuerungskosten der Infrastruktur. Was 1963 noch für 300.000 Euro zu haben war, koste in 2021 bereits 1,8 Millionen. Gerhard Fritscher (CDU)  sagte dazu, Weingarten sei eine großflächige Gemeinde, dennoch müsse der Gemeinderat auf  Wirtschaftlichkeit achten. Er müsse vorplanen und unnötige Kosten vermeiden. Bänziger erklärte dazu, im Zuge der Ortskernsanierung wurden die maroden Kanäle erneuert 60 Prozent der Sanierungskosten wurden durch Landesmittel abgedeckt. Für nur 40 Prozent der Kosten habe Weingarten neue Straßen erhalten. Jetzt folgen noch die Seitenstraßen, auch hier müsse die Infrastruktur erneuert werden. Marielle Reuter (WBB) sagte zu diesem Thema, es sei wichtig, den Bürgern verständlich zu machen, wofür Gebühren erhoben würden und warum sie angepasst werden müssten. Instandhaltungskosten seien unabänderliche Sachzwänge.

Der Gemeinderat stimmte den entsprechenden Anpassungen und Satzungsänderungen jeweils einstimmig zu.

Der Bürgermeister sah einen großen Schritt nach vorne, mit Gebühren aufs Laufende zu kommen.

6. und 8. Gewerbesteuer bleibt unverändert, Grundsteuer steigt / 7. Weingarten erhebt Zweitwohnungssteuer

Die Gemeinde Weingarten  wurde vom Kommunal- und Prüfungsamt aufgefordert wurde, unverzüglich Schritte einzuleiten, um das ordentliche Ergebnis des Haushaltsjahres 2021  zu verbessern und die Fehlbeträge in den kommenden Jahren zu vermeiden. Darum wurde ein Arbeitskreis gebildet, der einen entsprechenden Maßnahmenkatalog erstellt hat. Ein Hebel, um Einnahmen zu generieren, ist der Steuerhebel.

Die Gewerbesteuer soll nicht erhöht werden. Denn Weingarten ist im Begriff, in den nächsten Jahren 62.500 Quadratmeter Nettofläche für Gewerbetreibende zu erschließen. Die Kommune geht im aktuellen Haushaltsentwurf von 6 Mio Einnahmen an Gewerbesteuer für 2022 aus und mittelfristig im Jahr 2025 von 8,4 Mio Euro. Vor diesem Hintergrund wäre die Erhöhung dieser Steuer ein falsches Signal und würde möglicherweise Investoren abschreiben. Außerdem plant die Stadt Karlsruhe in den nächsten Jahren eine Erhöhung des Hebesatzes auf 450 Prozent und die Stadt Stutensee auf 360 Prozent. Wenn Weingarten den Hebesatz nicht erhöht, käme das Weingartens Attraktivität als Gewerbestandort sicherlich zugute. Gerhard Fritscher (CDU) begrüßte diesen Vorschlag als das richtige Signal. Wenn es den Firmen gut gehe, erhalte die Gemeinde mehr Steuern auch ohne  Erhöhung.
Einstimmig befürwortete das Gremium, die Gewerbesteuer zu belassen.

Die Zweitwohnungsbesteuerung zielt auf das Interesse der Gemeinde, Zweitwohnungen zu Hauptwohnsitzen umzuwandeln. Der zu erhebende Steuersatz beträgt 15 Prozent,  der Stichtag ist der 8. Juni 2022. Aufgrund der Zweitwohnungssteuer könne die Gemeinde 653.380 Euro im Jahr an Einnahmen generieren. In einem Haushalt über vier Jahre mache sich das deutlich bemerkbar.
Das Gremium stimmte diesem „lohnenden Vorschlag“ einstimmig zu.

Die Grundsteuer verändert sich nur durch die Änderung des Hebesatzes. Dieser Hebesatz wird jetzt erhöht werden. Er beträgt aktuell 330 vom Hundert für die Grundsteuer A, die für land- und forstwirtschaftliche Flächen erhoben wird und 340 Prozent für die Grundsteuer B, die für fast alle anderen Grundstücke gilt. Beide sollen auf 420 Prozent erhöht werden. Diese Erhöhung würde zu geschätzten 305.000 Euro jährlichen Mehreinnahmen führen. Im Haushalt 2022 bis 2025 ist die Erhöhung mit rund 1.600.000 berücksichtigt. 

Der stellvertretende Leiter der Finanzen, Philipp Klotz, erläuterte anhand eines Beispiels von sechs unterschiedlichen Familien die Auswirkung der Grundsteuer.  Im Durchschnitt zahlen diese 946,82 Euro für Wasser, Abwasser und Grundsteuer im Jahr 2021. Im Jahr 2022 zahlen sie 1.116,03  Euro. Das sei eine Erhöhung um 170,11 Euro. Da die Grundsteuer von der Fläche abhängt, zahlen Hauseigentümer mit großem Grundstück mehr Grundsteuer als Wohnungseigentümer mit kleinem Grundstück oder Mieter im Mehrfamilienhaus. Hier werde die Fläche durch die Anzahl der Personen geteilt und je mehr Personen eine Fläche bewohnen, desto geringer fällt die Grundsteuer aus. Der Anteil der Grundsteuer im Familienhaushalt betrage 4,38 %.  Strom beträgt 28 %, Heizung 32 % und  Telekommunikation und Radio 11 %. Eine geringe Erhöhung der Grundsteuer pro Jahr wirke sich positiv auf die Finanzierung der gemeindlichen Infrastruktur aus.

Die Gemeinderäte standen dieser Erhöhung unterschiedlich gegenüber. Carolin Holzmüller (FDP) wollte lieber Möglichkeiten zum Einsparen suchen. Timo Martin (WBB) fand den Zeitpunkt richtig, Gebühren anzuheben. Gerhard Fritscher (CDU) sprach sich mit der Mehrheit seiner Fraktion ebenfalls dafür aus, Nicolas Zippelius war dagegen. Er sehe nicht, dass die Gemeinde alles getan habe, um diese Erhöhung abzuwenden. Im gehe es nicht um Einnahmenmaximierung sondern um Ausgabenminimierung. Werner Burst (SPD) sagte, Grundsteuer werde auf Mieter umgelegt, das widerspreche dem Ziel des bezahlbaren Wohnraums. Er stellte den Antrag, die Erhöhung erst in 2024 zu realisieren. Matthias Görner (FDP) meinte, die Gemeinde solle besser Leistungen kürzen und Angebote zurückfahren als Steuern zu erhöhen.  Sonja Güntner (Grüne Liste) meinte, Weingarten könne nicht die sozialen Ungerechtigkeiten im Land ausgleichen. Man müsse mit den eigenen Mitteln zurechtkommen. Bänziger (parteilos) fasste zusammen, dass nun im Finanzbereich ein Bündel von Maßnahmen gefunden wurden, das bestehende Defizit zu verringern und den Haushalt wieder in die richtige Bahn zu schieben.
Bei vier Gegenstimmen der FDP und Nicolas Zippelius (CDU) und der Enthaltung von Werner Burst (SPD) stimmte das Gremium mehrheitlich für die Anhebung der Grundsteuer.

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