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Gemeinde Weingarten (Baden)

Bei der Weinlese

Artikel vom 20.09.2019

Seit Jahrhunderten wird in Weingarten Wein angebaut. Die Weißenburger Mönche haben die Hanglage „Petersberg“ als ideales Anbaugebiet entdeckt und schon im 10. Jahrhundert dort die ersten Reben gepflanzt. Bis in die 1950er Jahre wurden die Weinberge dann in kleinen, teilweise steilen Parzellen von den Weinbauern sehr arbeitsintensiv bewirtschaftet. Mitte der 50er Jahre halfen Einheiten der amerikanischen Besatzung, mit schwerem Gerät den Katzenberg zu roden und eine großflächige Rebanlage anzulegen. Heute gibt es neben immer noch vielen kleinen Feierabendwinzern einige Großwinzer im Ort, die größere Flächen mit Maschinen arbeiten, aber ganz ohne Handarbeit geht es nicht.

Vorige Woche hat die Lese begonnen. Die Turmberg-Rundschau hat den Winzer Gerd Siegrist am ersten Tag besucht.

Lesebeginn vorige Woche

„Morgen früh geht’s los“, sagte er am Dienstag am Telefon. „Gegen halb neun“ fügte er hinzu, „mal gucken, wie die Nacht war“. Was hat das zu bedeuten? „Die Trauben sollten bei der Lese trocken sein. Wenn die Nacht zu feucht war, sollte man sie abtrocknen lassen, aber nicht zu lang warten, denn sie müssen auch kühl geerntet werden, um keine Probleme mit der Gärung zu bekommen.“ Pünktlich am Mittwochmorgen fanden sich bei bestem Spätsommerwetter ein Dutzend Helfer im „Löwental“ im Rebgebiet Kirchberg ein. Tochter Lea verteilte Scheren, jeder schnappte sich einen Eimer und suchte sich einen Platz. Dunkel, satt und prall hingen die Trauben in den Reihen. „Das ist Dunkelfelder“, erklärte Siegrist. Eine Färbertraube. Er habe noch 30 bis 40 Ar von dieser Sorte im Anbau. Die Traube wurde früher gern verwendet, um blassen Rotweinen zu mehr Farbe zu verhelfen, diesen Zweck erfülle sie heute noch, aber mittlerweile habe sie an Bedeutung verloren. Dank des Klimawandels gebe es kräftigere Rotweine, auch von anderen Sorten als noch vor Jahren.

 

Die Ernte fällt zufriedenstellend aus

Mit dem Behang ist er im Allgemeinen zufrieden. Die Qualität liege im langjährigen Vergleich im guten Durchschnitt, die Menge dagegen sei eher etwas unterdurchschnittlich. Die Kälte um Pfingsten habe der Blüte geschadet und teilweise zu Verrieselung geführt, die Hitzetage zu Sonnenbrand. Diesen Vormittag habe er für diesen Hang eingeplant, am Nachmittag gehe es auf dem Katzenberg weiter. Am Donnerstag komme Auxerrois dran, am Freitag Müller-Thurgau. Die Helfer hatten sich in die Reihen verteilt. Martha Siegrist und Martin Enderle arbeiteten parallel, einer rechts, einer links. Schnippschnapp und in wenigen Minuten war ein Eimer voll. Vertrocknete und verrieselte Trauben blieben hängen oder wurden einzeln ausgeschnitten. Die Helfer rekrutieren sich aus Verwandtschaft und Freundeskreis, zum Beispiel auch aus dem Posaunenchor, in dem Siegrist in seiner Freizeit mitspielt. Der Dirigent, Bernd Breitenstein, trug an diesem Tag die Butte. Mit dem leeren Gefäß auf dem Rücken kam er den Hügel herauf, drehte sich um, Martha kippte die Trauben hinein, mit dem vollen ging es hinunter. Immer hin und her.

 

Arbeitsintensive Handlese immer noch nötig

„Die Wege sind hier zu schmal, um den Vollernter einzusetzen“, sagte Siegrist. Das sei weniger eine Frage der Größe, sondern der Anfahrbarkeit. Ein Qualitätsunterschied zwischen Handlese und Vollernter ist für ihn kein Thema. „Es fehlen die Handleser“, sagte er schlicht. „Für ein paar Mal ist es schon möglich, Freunde und Verwandte zusammenzutrommeln, am besten Rentner.“ Aber um eine große Fläche zu ernten brauche er rund 20 Mann einen ganzen Tag. Jeden Tag. Das sei nicht mehr zu bekommen. Darum sei die Maschine unverzichtbar. Dass die Arbeit von Hand und mit einem zünftigen Vesper einen emotionalen Aspekt hat, stritt er nicht ab. „Wein ist mehr als Alkohol.“ Aber auch ein nüchterner Broterwerb. 

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