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„Es geschah in meiner Straße – Geschichte, die uns stolpern lässt“
Gedenkveranstaltung: Vor 80 Jahren wurden die letzten 24 Weingartener Juden nach Gurs deportiert
Unter diesem Motto steht in Weingarten das Gedenken an die letzten 24 jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen, die am 22. Oktober 1940 von den Nationalsozialisten nach Gurs in Südfrankreich deportiert wurden. Von der Deportation betroffen waren die Juden in ganz Baden sowie in der Pfalz und im Saarland.
Wegen der unmenschlichen Bedingungen im Lager am Fuß der Pyrenäen wird Gurs in der Geschichtsschreibung mit Recht auch als die „Vorhölle von Auschwitz“ bezeichnet. In voraus eilendem Gehorsam hat der damalige NS-Reichsstatthalter Robert Wagner noch am selben Tag mit Stolz nach Berlin gemeldet: „Baden und die Saar-Pfalz sind jetzt judenfrei.“
Eine Gruppe von Christen der katholischen Pfarrgemeinde und der evangelischen Kirchengemeinde sowie weitere engagierte Bürgerinnen und Bürger haben sich zusammengefunden, um dieses traurigen Ereignisses in würdiger Form zu gedenken. Denn es gibt heute so gut wie keine Zeitzeugen mehr, die über die damaligen Ereignisse Bescheid wissen und darüber berichten könnten.
Der bekannte jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat im Hinblick auf das leidvolle Schicksal des jüdischen Volkes in der Diaspora folgendes gesagt: „Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.“
In diesem Sinne findet am Donnerstag, 22. Oktober, um 19 Uhr ein Gedenkkonzert mit Impulsen in der katholischen Pfarrkirche Sankt Michael statt. Eine weitere Gedenkveranstaltung ist für Samstag, 24. Oktober, um 14.30 Uhr auf dem Rathausplatz terminiert, zu dem die Glocken beider Kirchen läuten und einladen. Danach werden einige Häuser aufgesucht, in denen bis zu ihrer Deportation jüdische Mitbürger gewohnt haben und an deren trauriges Schicksal heute die so genannten Stolpersteine erinnern. Verschiedene Musiker begleiten diese Vor-Ort-Aktionen.
Der Abschluss des gemeinsamen Gedenkens findet dann um 16.30 Uhr an der Einmündung der Keltergasse in die Kirchstraße hinter der katholischen Kirche statt. Dort stand bis zu ihrer Verwüstung durch die Nazis nach dem Judenpogrom vom 9. November 1938 einst die 1840 im maurischen Stil erbaute jüdische Synagoge. Sie wurde auf Befehl der örtlichen Nationalsozialisten 1940 abgerissen und ihre Steine zur Einfassung der Bachmauer am „Gailbumber“ verwendet, so dass entsprechend der NS-Ideologie nichts mehr an das jüdische Leben in Weingarten erinnern sollte.
Wer mehr über die „Geschichte der Juden in Weingarten“ wissen möchte, dem sei die gleichnamige Broschüre des Autors Hayo Büsing empfohlen, die der Bürger- und Heimatverein bereits 1991 in erster und 2004 in zweiter Auflage herausgegeben hat.