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Arbeitsgemeinschaft „Jüdisches Leben in Weingarten“
Wo gibt es in Weingarten noch Spuren Jüdischen Lebens?
In der Weingartner Ortsmitte deuten an mehrere Stellen sogenannte „Stolpersteine“ darauf hin, dass in diesen Häusern jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger gelebt haben.
Erinnerung durch „Spurensuche“
Als am 22. Oktober 1940 die letzten verbliebenen 24 Juden auf einen Lkw gepackt und in das Konzentrationslager Gurs deportiert wurden, fand das jüdische Leben ein brutales Ende. Aber die Erinnerung daran ist nie erloschen. Im Jahr 2005 haben Jugendliche in einem Jugendprojekt der Kolpingfamilie eine Broschüre mit dem Titel „Spurensuche“ erstellt, in der versucht wurde, ein Stückweit das Leben der Juden in Weingarten nachzuvollziehen.
Die Initiative Stolpersteine
Zwei Jahre später folgte die Initiative „Weingartener Bürger setzen Stolpersteine“ unter Leitung des damaligen Gemeinderates Herbert Wieczorek mit einem Antrag an den Gemeinderat, im öffentlichen Raum solche Stolpersteine mit den Namen der ehemaligen jüdischen Einwohner versetzen zu dürfen. Zur selben Zeit erarbeitete die Lehrerin der Turmbergschule, Franziska Lutz, mit ihrer zehnten Klasse ein Projekt „Nationalsozialismus“. Ein Höhepunkt darin war der Vortrag Hayo Büsings, der auch die Broschüre „Juden in Weingarten“ verfasst hat. Die Ausführung der Stolpersteine erfolgte durch den Kölner Künstler Gunter Demnig, der als Initiator der Stolpersteinaktion gilt. Einige Steine konnten nicht versetzt werden, da die Hauseigentümer keine Zustimmung gaben.
Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag Gurs und Bildung der Arbeitsgemeinschaft
Im Jahr 2020 jährte sich die Deportation nach Gurs zum 80. Mal und zu diesem Gedenken organisierten die Kolpingfamilie unter ihrem Vorsitzenden Harald Wagner und die beiden Kirchengemeinden eine vielschichtige Veranstaltung. Daraus ging die Arbeitsgemeinschaft (AG) Jüdisches Leben in Weingarten hervor, in der sich acht Personen aus dem Bürger- und Heimatverein, der beiden Kirchen sowie der Kolpingsfamilie und als Privatpersonen zusammenschlossen und projektbezogen arbeiten. Ihr Ziel sei, sagt Wagner, die Erinnerung zu bewahren und dem aufkommenden Antisemitismus entgegenzuwirken.
Organisation und Wirken
Im Jahr 2022 organisierte diese AG am 9. November die Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht mit einem ökumenischen Gottesdienst und einer Lichterkette zwischen der Kirche und der ehemaligen Synagoge. Zwei ihrer Mitglieder, Peter Pfingstl und Eran Bar Am, leiteten in der Turmbergschule von September bis Weihnachten 2022 ehrenamtlich einen Club von acht Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sieben und acht. Die Themen waren jüdische Feiertage und der Ablauf eines jüdischen Gottesdienstes. Die Jugendlichen besuchten die Synagoge in Karlsruhe, veranstalteten eine Begehung und Reinigung der Stolpersteine im Ort und die Reinigung einiger Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof. Dessen Pflege möchte die AG weiter übernehmen.
Die letzten zehn Steine werden verlegt
Das neueste Projekt ist, die letzten zehn Stolpersteine zu verlegen. Dazu hat Wagner einen Antrag im Gemeinderat gestellt. Er berichtete, die Gruppe habe zwischenzeitlich die Zusage der Hausbesitzer erwirkt. Die Kosten werde sie über Spenden und aus den Einnahmen eines Klezmer-Konzerts generieren, das am 22. April in der evangelischen Kirche zu hören sei. Der Antrag fand mehrheitliche Zustimmung. Die Verlegung der Steine soll möglicherweise im November, auch zum 85. Gedenktag der Reichspogromnacht, stattfinden.