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Der Klimawandel erfordert ein Umdenken im Weinberg
Das Weinjahr 2021 war heiß und zugleich viel zu nass.
Hitze und Feuchtigkeit haben den Reben zugesetzt. Drei Weingartner Winzer berichten, wie sie es doch noch geschafft haben, ein qualitativ gutes Produkt zu erzielen und wie die Zukunft im Weinberg aussehen könnte.
Alte Winzerweisheit: Ein nasses Jahr verdirbt mehr als ein trockenes
An diesem sonnigen Vormittag steht Elina Holzmüller im Weinberg und schneidet mit der elektrischen Schere das Fruchtholz der Auxerroisreben für das nächste Jahr an. Die 25jährige hat ein abgeschlossenes Studium in Internationaler Weinwirtschaft und vertieft ihre praktischen Kenntnisse im elterlichen Betrieb. „Die Wetterextreme in den vergangenen Jahren haben die Reben sehr gestresst“ fasst sie zusammen und kennt auch die alte Winzerweisheit: Ein nasses Jahr verdirbt mehr als ein trockenes. 2021 war eindeutig zu nass, bestätigen auch die erfahrenen Winzer Gerd Siegrist und Frank Gauss, Chef der Weinmanufaktur Weingarten. Der viele Regen im Verbund mit hohen Temperaturen habe ein Klima erzeugt, wie in einem Badezimmer, in dem nie gelüftet, aber ständig geduscht wird. Grundsätzlich sei der Regen nach den drei sehr trockenen Jahren dringend nötig gewesen, fährt er fort. Aber es habe fast keine trockenen Zeiträume gegeben, welche es den Winzern erlaubt hätten, ausreichend Pflanzenschutz auszubringen, der nicht sofort wieder abgewaschen wurde.
Große Ausfälle durch Mehltau in 2021
Siegrist spricht von einem sehr großen Potential an Mehltau, sowohl dem falschen wie dem echten. Und dann nicht spritzen zu können, habe zu größeren Ertragsausfällen geführt. Auf durchschnittlich 30 Prozent beziffern die drei Weinbautreibenden ihre Ausfälle. Ein Trost: Die Qualität der abgegebenen Trauben habe dank der enormen Fleißarbeit aller Winzer, die täglich die fauligen Beeren ausgeschnitten hätten, nicht gelitten und verspreche einen spritzigen und gehaltvollen Wein, bilanziert Gauss. Aber der Weinbau kommt am Klimawandel nicht vorbei. Die Winzer müssen sich den Gegebenheiten anpassen und ihren Anbau darauf einstellen.
Die Weinbauinstitute arbeiten an neuen Züchtungen Pilzwiderstandsfähige Sorten sind im Kommen
Schon seit längerem versuchen die Weinbauinstitute mit der Entwicklung neuer, klimaangepasster Sorten dem entgegenzukommen. Elina Holzmüller nennt Syrah, Merlot, Chardonnay und Sauvignon. Diese „mediterranen“ Rebsorten seien hitzetoleranter und in dieser Hinsicht tauglicher. Auch bei vielen Konsumenten seien Rotweine aus den mediterranen Nachbarländern beliebt, aber der Rotweinboom sei ihrer Ansicht nach im Abflauen. Aktuell scheine der Weinliebhaber gerne zum Rosé zu greifen. Aber, sagt die junge Fachfrau, so eine Umstellung gehe nicht von heute auf morgen. Denn wenn Reben erst einmal stehen, seien diese für die nächsten 25 Jahre eingeplant. Nicht mehr ganz neu im Zuchtprogramm der Institute seien sogenannte „PiWis“, pilzwiderstandsfähige Sorten, die sich in der Praxis durchsetzen, berichtet Gerd Siegrist. Wenn der Weinbau seine Verpflichtung zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in Zukunft einhalten wolle, führe an diesen Sorten kein Weg vorbei. Das bedeutet aber nicht, dass gar nicht mehr gespritzt werden müsse, ergänzt Elina. Ganz ohne Pflanzenschutz gehe es trotzdem nicht, aber Einsparungen von rund 50 Prozent seien möglich.
Reben sollen langsamer wachsen, hohe Öchslegrade, die viel Alkohol bringen sind nicht mehr gewünscht
Ein dritter Ansatz, so die drei Experten, sei der Versuch, den Reifeprozess der Reben zu verlangsamen. In den letzten Jahren sei die Lese drei Wochen früher gewesen als noch vor Jahrzehnten. Dadurch falle die Reifeentwicklung in eine wärmere Phase. Heiße Tage bringen hohe Zuckergehalte in den Trauben, was bei der Vergärung zu einem veränderten Aromaprofil und hohem Alkoholgehalt führe, was beim Verbraucher nicht gewünscht werde, erklärt Siegrist. In der Weinmanufaktur entstehen zusätzlich hohe Energiekosten, da das angelieferte Lesegut für die optimale Gärtemperatur teilweise um 10 bis 15 Grad heruntergekühlt werden müsse, ergänzt Gauss. Darum soll die entscheidende Reifeperiode möglichst in die typische Herbstzeit fallen. Einen möglichen Lösungsansatz sehen die Versuchsanstalten darin, die Laubwand in der Rebanlage zu verkleinern. Weniger Blätter bedeuten weniger Photosynthese und damit weniger Zuckereinlagerung. Jahrzehntelang galt in Baden der Werbeslogan: Badischer Wein – von der Sonne verwöhnt. Jetzt hat sich der Badische Weinbauverband von diesem Slogan getrennt. Kenner der Branche sehen darin ein klares Signal für einen Aufbruch und einen bevorstehenden Strukturwandel. Die Weingartner Winzer wissen das auch. „Die Mitglieder der Genossenschaft werden auch in 2022 wieder ihr Möglichstes tun, um ihre Kunden auch in Zukunft mit hervorragenden Weinen zu erfreuen“, verspricht Gauss.
Foto: Elina Holzmüller im Weinberg. Die Reben werden geschnitten. Die fruchttragenden Ruten werden bis auf ein bis zwei Augen zurückgeschnitten, aus denen sich im Frühjahr neue Triebe entwickeln. Das Altholz fällt auf den Boden und wird nachträglich entfernt.