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Nachtfalter in Weingarten - Unterwegs mit einem Schmetterlingsexperten
Gegen 22 Uhr kommt der große Ansturm: Auf der Lichtfalle sammeln sich Nachtschwärmer aller Art: Axel Steiner, Schmetterlingsexperte vom Karlsruher Naturkundemuseum, interessieren aber nur die Nachtfalter. Über 145 verschiedene Arten hat er im Wald nahe des Breitwiesengrabens neben dem Weingartner Baggersee bereits nachgewiesen. Bis er im Oktober seine Untersuchungen beendet hat, werden es noch deutlich mehr werden…
Die Turmbergrundschau war bei seinem Einsatz im Juli mit dabei:
Unser Besuch beim Schmetterlingsexperten beginnt gegen 21 Uhr - kurz vor Sonnenuntergang. Im Rahmen des Naturschutzgutachtens der Firma Rhein Petroleum, die bekanntermaßen eine Erdölförderung nahe des Gebiets „Breitheide“ im Südosten des Weingartner Baggersees beabsichtigt, werden viele unterschiedliche Bereiche von Flora und Fauna untersucht. Ein Teil der Prüfungen bezieht sich auf das Verhalten der Nachtfalter am Standort.
Axel Steiner ist ursprünglich Archäologe und hat sich im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere auf die Entomologie, also Insektenkunde, spezialisiert. Genauer gesagt: Auf Schmetterlinge. Alleine in Deutschland gibt es etwa 3.700 Arten. Die größte Gruppe machen die Nachtfalter aus. Und diese trifft man eben am besten nachts an. Axel Steiner nimmt uns mit zur ersten Station seines Einsatzes an diesem Abend. Im Auftrag der Firma Rhein Petroleum ist er hier zwischen März und Oktober einmal im Monat unterwegs.
Steiner untersucht Artenspektrum der Nachtfalter
Seine Mission: Das Artenspektrum in einer Entfernung von rund 100 Metern rund um den Bohrplatz erfassen. Die Daten werden dann für das entsprechende Gutachten verwendet, aber auch für die Schmetterlingsdatenbank, in der seit mehreren Jahrzehnten Forschungsergebnisse geführt werden. Steiner führt uns durch den Wald bis zu den Bahngleisen, dort hat er die erste Lichtfalle präpariert. Die 15 Watt starke Leuchtstoffröhre direkt am Waldrand ist mit einem Eimer versehen, in den die Insekten reinfallen. Hier hat der Experte vor Ort nicht viel zu tun - die eigentliche Arbeit wartet am nächsten Tag. Dann sammelt er den Eimer ein und dokumentiert die angelockten Nachtfalter.
Traubenkirschen-Gespinstmotte fühlt sich wohl in Weingarten
An der zweiten Station wird in dieser Nacht noch viel mehr los sein. Dazu muss Axel Steiner zunächst die Lichtfalle ein paar hundert Meter weiter mitten im Wald aufbauen. Diese besteht aus einer 125 Watt starken Quecksilberdampflampe, vergleichbar mit den früheren Straßenlaternen. Zusätzlich wird eine LED-Leuchte angebracht, darüber eine Art Moskitonetz, auf dem sich die Falter niederlassen können. „Alle 500 Meter sind in Deutschland rund 300 bis 500 Schmetterlingsarten nachzuweisen“, berichtet Axel Steiner. Die am häufigsten gezählte Art an seinem Standort im Wald war bis jetzt die „Traubenkirschen-Gespinstmotte“. Im Juni hat Steiner davon alleine in einer Nacht über 1.000 Exemplare gezählt. Der „Silberfleck-Zahnspinner“ war eine der besonderen Arten, die er gesehen hat. Dieser Nachtfalter ist stark gefährdet und steht auf der roten Liste. Zum Vergleich: In einer Nacht zählte er davon nur zwei bis drei Exemplare.
Im Rahmen der Umweltschutzgutachten muss Rhein Petroleum nicht nur das Vorkommen der Nachtfalter untersuchen lassen. Auch Kröten gehören zum Beispiel dazu. Je nach Ergebnis der jeweiligen Untersuchungen muss das Unternehmen bestimmte Umweltbestimmungen am Standort umsetzen. Im Falle der Kröten bedeutete dies die Einrichtung eines Krötenschutzzauns. Je nach Ausgang der Untersuchungen, müssen auch in Sachen Nachtfalter besondere Vorgaben beachtet werden.
Arbeitsschutz und Artenschutz
Ein wichtiges Thema zum Schutz von nachtaktiven Insekten ist die Einrichtung der Lichtquellen, so Schmetterlingsexperte Axel Steiner. Denn wenn die Tiere angelockt werden, fliegen sie immer wieder auf die Lichtquelle zu und kommen häufig an den Lampen um. Als Grund für die „magische“ Anziehung vermuten einige Wissenschaftler einen Zusammenhang mit der Mondorientierung der Insekten. Hierzu gibt es aber verschiedene Theorien.
Fakt ist: Licht wirkt anziehend auf Nachtfalter und Co. Je stärker die Lampe im UV-Spektrum leuchtet, desto anziehender wirkt diese auf Insekten. Besser geeignet - auch auf Baustellen im Nachtbetrieb - sind also zum Beispiel LED-Lampen mit wenig UV-Anteil. Carsten Reinhold, Geschäftsführer von Rhein Petroleum, der an diesem Abend auch vor Ort war, erklärt, dass die Lampen auf dem Bohrplatz zum Insektenschutz nur nach innen gerichtet seien. Seine Firma müsse den Spagat schaffen - einerseits für ausreichend Arbeitssicherheit für die Mitarbeiter zu sorgen - andererseits für den nötigen Artenschutz vor Ort. Die Anlage müsse hell genug sein, um zu verhindern, dass Mitarbeiter über Stufen oder ähnliches stürzen. Die Beleuchtung sei während der Förderphase nachts nicht eingeschaltet. Während der eigentlichen Bohrtätigkeit jedoch wäre die Anlage 24/7 in Betrieb. Deshalb ist insektenfreundliche Beleuchtung wichtig.
Artenvielfalt begeistert Steiner
Vier bis fünf Stunden bleibt der Schmetterlingsexperte in der Nacht vor Ort um die Falter zu dokumentieren. Ein besonderer Beruf, dem Axel Steiner nachgeht. Er ist mit Leidenschaft dabei, das merkt man sofort. Mit viel Begeisterung berichtet er unter anderem von seinen Expeditionen. Weltweit hat er schon Schmetterlingsarten erforscht. Seine Lieblingsart sei der Eulenfalter, erzählt er. Alleine in Deutschland gibt es 600 Variationen. Besonders die Artenvielfalt fasziniere ihn so an seinem Beruf. Bis dato hat er am Standort in Weingarten über 145 verschiedene Arten nachgewiesen. Bis Oktober wird er hier regelmäßig seine Lichtfallen aufstellen und sicherlich noch zahlreiche weitere Arten finden.
Wer beim nächsten Abendspaziergang unterwegs ist, begegnet sicherlich auch dem ein oder anderen Maiszünsler, einer Traubenkirschen-Gespinstmotte oder - wer Glück hat - einem Silberfleck-Zahnspinner. Einfach mal die Augen offen halten.
Bildunterschrift Foto 1:
Ein Kiefernschwärmer hat sich auf dem Moskitonetz niedergelassen.
Bildunterschrift Foto 2:
Dieses Buch hat Axel Steiner immer griffbereit. Einige Falterarten - zum Beispiel die Eulenfalter- unterscheiden sich nur in Nuancen der Flügelzeichnung.
Bildunterschrift Foto 3: Axel Steiner montiert die Lichtfalle mitten im Wald.