Hauptbereich
Zwischen Ausgleichsflächen und Rebflurbereinigung
Öffentliche Feldbegehung mit Bürgermeister Eric Bänziger
Auf dem Kirchberg unterwegs
In diesem Jahr fand im Wechsel zur Waldbegehung eine öffentliche „Feldbegehung“ statt. Einige interessierte Bürgerinnen und Bürger und nahezu alle Gemeinderäte machten sich am Samstagvormittag mit Bürgermeister Eric Bänziger und Kay Ostwald auf den Weg. Das Ziel der Feldbegehung war ein Rundgang über den Kirchberg. Kay Ostwald vom Sachgebiet Landschaftspflege hatte die Route ausgearbeitet und gab Informationen an markanten Punkten.
Ausgleich für das Baugebiet
Der Kirchberg ist eine der beiden Weinberge Weingartens, wesentlich älter als der Katzenberg. Ein Schwerpunktthema der Begehung waren die Ausgleichsmaßnahmen für das Baugebiet Kirchberg-Mittelweg. Insgesamt fordert dieses Baugebiet ein bestimmtes Maß an Ausgleich zugunsten des Naturschutzes, dem die Gemeinde mit insgesamt elf Maßnahmen nachkommen muss. Am Beispiel einer Hochstaudenfläche erklärte Kay Ostwald, dass es sich um ein Nahrungsfeld für Zwergfledermäuse handele, das von der invasiven Goldrute und dem giftigen Jakobs-Kreuzkraut bedrängt werde. Sein Mitarbeiter habe unlängst mehr als eine Stunde lang händisch die giftigen Pflanzen ausgerissen und dem Verbrennungsmüll zugeführt.
Kampf gegen Goldrute und Jakobs-Kreuzkraut
Gemeinderat und Fachökologe Hans-Martin Flinspach ergänzte seine Ausführungen: Die Goldrute erneuere sich vegetativ, man könne ihr nur beikommen, indem die Blütenstände vor der Samenreife entfernt werden. Ebenso dürfe das Jakobs-Kreuzkraut nicht auf den Grünschnitt geworfen werden, sonst gerate es mit dem Häckselgut in die Umwelt und breite sich immer weiter aus. „Wir gehen das jetzt an“, sagte Bürgermeister Bänziger. Früher habe die Gemeinde derartige Arbeiten beauftragt, heute verstärke ein zusätzlicher Mitarbeiter den Bereich Landschaftspflege. Sein Einsatz sei wesentlich schneller, flexibler und dadurch wirtschaftlicher. Ein Haufen Totholz war das nächste Beispiel.
Habitate für Fledermäuse, Insekten, Zauneidechsen wurden angelegt
Insekten, Zauneidechsen und Kleinnager profitieren von diesen eigens angelegten Habitaten. Ein Erdbunker auf einem Privatgrundstück sei eine Fledermauswohnung geworden. Wenn morsche Bäume gefällt werden müssen, berichtete Ostwald, sei es ratsam sie über den Winter stehen zu lassen, da sich eventuell ein Fledermaushabitat darin befinde. Viele der notwendigen Maßnahmen, erklärte Bürgermeister Bänziger, seien bereits im Vorgriff erfolgt und im Bebauungsplan festgehalten. So beispielweise eine Steinfläche für die sehr seltene Schlingnatter, die in Weingarten noch zu finden sei. Eine Waldfläche benötige als Ausgleich ein Verhältnis von eins zu eins, ein Biotop dagegen ein Verhältnis bis zu eins zu drei. Das könne jedoch auch durch anderweitige Aufwertung erreicht werden, beispielsweise wenn ein Kiefernwald zu einem Mischwald wird. Es sei eine Herausforderung, überall Nachwachsen und Verbuschung zu verhindern. Tierhaltung sei auch dafür förderlich, Weiden offen zu halten. Sei eine Zusammenlegung von Flächen wünschenswert oder anzustreben, zeige sich die Gemeinde der Landwirtschaft gegenüber kooperationsbereit, erklärte Bürgermeister Bänziger. Auskunft hierzu erteile Marita Roßnagel von der Liegenschaftsverwaltung.
Hochstaudenfluren auf stillgelegten Äckern sei wünschenswert, müsse aber eingesät werde, ergänzte Hans-Martin Flinspach. Wer Artenreichtum erzielen wolle, müsse im zeitigen April abweiden, um den Nahrungsreichtum herauszunehmen, dann entstünde eine Magerwiese.
Große Brocken Naturkalksteine vom Bau des Hochbehälters sind hier nützlich
Ein mächtiger Riegel von Natursteinen erweckte Aufmerksamkeit. Sie stammen aus der Baustelle des Hochbehälters Katzenberg und wurden hierher gebracht, um ein Habitat für Eidechsen zu bilden, erklärte Kay Ostwald. So wurden zumindest teure Entsorgungs- und Abfuhrkosten vermieden. Auf die Frage eines Bürgers, warum keine bunten Blumenwiesen eingesät würden, erklärte Flinspach, die meisten Ansaatmischungen beinhalteten nur ein- bis zweijährige Pflanzen.
Der Rückweg führte die Gruppe über den Mittelweg als zweites Schwerpunktthema. Dieser verläuft am unteren Rand des Baugebiets und tangiert die Rebflurneuordnung. Vor allem um das Gewann Petersberg, das hier 30 Hektar einschließt, in dem sich noch alte Steillagen befinden.
Alle Grundstücke sollen maschinell anfahrbar werden
Ziel dieser Neuordnung sei, erklärte Bürgermeister Bänziger, den Mittelweg auszubauen und alle Grundstücke maschinell anfahrbar zu machen. Dann bat er den Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft, André Martin, um einen kurzen Sachstandsbericht. Die Entwurfsplanung liege vor, berichtete dieser. Es wurde festgehalten, wo welche Eingriffe rentabel und erforderlich seien. Es handele sich um Wegebau, Trockenmauern und viele kleinteilige Flächen. Nun müsse seitens der Behörde über diesen Entwurf noch einmal beraten werden, dann werde er den Teilnehmern zugänglich gemacht. Bis zum Abschluss werde es noch zehn Jahre dauern, schätzte Bürgermeister Bänziger. Innerhalb dieses Abschnitts des Mittelwegs liegt auch der Kalksteinbruch, den die Mitglieder der Weingartener Bürgerbewegung in einer ehrenamtlichen Großaktion im Jahr 2011 von Müll befreit hatten. Heute erweise er sich als wertvolles Biotop. Allerdings sei er von außen wieder zugewachsen und derzeit nicht einsehbar. Der Mittelweg selbst lässt in weiten Teilen kaum Begegnungsverkehr zu. Die Planung zur Verbreiterung im Rahmen des Baugebiets wird in Auftrag gegeben.
Die neue Erschließungsstraße „Am Petersberg“
Im unteren Teil des Mittelwegs, kurz vor der Einmündung zur Kirchbergstraße warfen die Teilnehmenden der Begehung noch einen Blick auf den Beginn der „Straße Am Petersberg“, deren Böschung mit neuartigen Stützsteinen gesichert wird. Die Steine werden nach Fertigstellung entfernt und durch eine Natursteinmauer ersetzt.
Die Feldbegehung habe den Beteiligten einen Einblick in die vielfältigen Aufgaben der Gemeinde gegeben, über die Ausgleichsmaßnahmen informiert und gezeigt, wo das Geld hinfließt, fasste Bürgermeister Bänziger zusammen. Die beiden Gemeinderäte Timo Martin (WBB) und Robert Scholz (CDU) zeigten sich überrascht, über die vielen kleinen Biotope, die in Summe viel Handarbeit erforderlich machten.