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Gemeinde Weingarten (Baden)

"Weiberkram" zum Weltfrauentag

Artikel vom 14.03.2024

Gesellschaftskritik von, aber nicht nur für Frauen

Der „Weiberkram“, den der Verein Die Landkulturschaffenden Südwest zum Weltfrauentag nach Weingarten gebracht hatte, war ein Event nach Maß. Mitveranstalter war der Gesangverein Liederkranz, als Location diente der evangelische Gemeindesaal.

Poesie mit Power und Esprit

Sechs Frauen brachten Poesie auf die Bühne des vollbesetzten Saals. Rund 100 Zuhörende, darunter etwa zehn Prozent Männer, lauschten ihnen – hingerissen, begeistert und voller Empathie. Alle sechs Vortragende waren echte Wortkünstlerinnen, die Inhalte beschrieben das Selbstbild von heutigen Frauen: Stark und mit kritischem Blick auf sich und ihre Umwelt, aber letztlich immer versöhnlich und liebend.

Auftakt mit den Women for vocals

Den Auftakt zu diesem großartigen Abend machte das Frauenvokalensemble „Women for vocals“, eine Formation des Gesangvereins Liederkranz unter der Leitung ihrer Dirigentin Marie Gerhardine Iguchi. Es sind Frauen, die einfach nur singen wollen. Ohne Männer und ohne Musikbegleitung. Die mit ihren Texten, auch wenn sie nicht aus eigener Feder stammen, ihre Anliegen präsentieren und vertreten. Ihre glockenklaren Stimmen waren hörbar in Sopran und Mezzosopran gruppiert, jede einzelne Sängerin erfüllte ihre Aufgabe und ihre Vorträge waren prall von Power, Präsenz und Emotionen: „We are family“. Nach dieser ersten Darbietung, die gleich zu Beginn des Abends ein Glanzlicht setzte, folgten die gesprochenen Texte.

Die Landkulturschaffenden unter ihrem Vorsitzenden Rolf Suter waren nebenbei bemerkt angetreten, um „Kultur aufs flache Land zu bringen“, mussten aber alsbald einsehen, dass Weingarten in keinster Weise eine Kulturwüste ist. Nur der Vortrag gesprochener Epik war bislang noch nicht im Portfolio der Kulturvereine enthalten, also in diesem Sinne tatsächlich neu.

Poetry Slam als Show und nicht als Wettbewerb

Poetry Slam wurde an diesem Abend allerdings nicht als Wettstreit geboten, es gab keine Siegerin, sondern alle waren Gewinner. Die erfahrene Therese Degen aus Stuttgart war die Slammasterin und moderierte das Programm. Weitere Teilnehmerinnen waren Jessica Davis aus Büttelborn bei Darmstadt, Semolina aus Landau in der Pfalz, Christiane Stork aus Grötzingen, Ulla Skrue Klomp aus Waldkirch im Südschwarzwald und Laura Hamm von hope-music.

Der Überraschungsgast für das Warm-up war die knapp 18-jährige Sarah Reinholz aus Weingarten. Mit erstaunlicher Reife sinnierte sie über die großen Fragen des Lebens, um zu der selbstbewussten Erkenntnis zu gelangen: Den Sinn des Lebens schlechthin und allgemein gibt es nicht. Wir sind alle Individuen und ich kann machen was ich will. Ich finde meinen eigenen Sinn.

Texte zur Selbstfindung

Christiane Stork trug denselben zum Nachdenken anregenden Gedanken vor, mit dem sie erst im Januar dieses Jahres Siegerin des zweiten Weingartener Poetry Slam geworden war: Jeder Marathon besteht aus vielen einzelnen Schritten. Jeder einzelne ist nichts, darf aber auch nicht fehlen, um ein großes Ziel zu erreichen. Aber jeder Schritt im Marathon des Lebens kann wegführen von der Menschlichkeit hin zu schrecklichen Dingen und je näher dem Ziel, desto schwerer die Umkehr. Es war unverkennbar eine Mahnung, keinen Schritt zu viel nach rechts zu tun.

Ulla Skrue Klomp, Jahrgang 1945, trug zum Weltfrauentag einen düsteren Text gegen die Macht der Männer vor. Bereits bei ihrer Geburt hieß es, „schon wieder ein Mädchen“. Herrscher im Haus war der Mann. Ihre Träume waren voller Angst, Scham, Frust und Blut.

Semolina erkannte: Ich bin wie ich bin, so klein oder so groß. Ihr Text zeugte von großem Selbstbewusstsein, aber im selben Maße auch Selbstkritik, glücklicherweise mit viel Humor vorgetragen und auf jeden Fall des Nachdenkens wert.

Wo Frauen sich selbst wiedererkennen

Trotz der großen Anerkennung, die inhaltlich alle Texte verdient haben, sollte eine Interpretin hervorgehoben werden. Jessica Davis sprach als einzige der erfahrenen Teilnehmerinnen ohne Notizen und zeigte dadurch eine beeindruckende Performance. Ihr Thema war das Spannungsfeld einer Mutter zwischen Kinderbetreuung und anderen Verpflichtungen, selbst auferlegten Zwängen und gesellschaftlicher Erwartungen. Um das Chaos im Geist zu reduzieren, erstellt die Mutter Listen. Sie verheddert sich und erstickt fast unter Terminen, Anforderungen und der Meinung anderer. Bis es ihr gelingt, sich daraus zu befreien, wenn auch nur für einen Augenblick. Für den, indem sie ihrem Kind beim Schaukeln zusieht und beschließt: Das lasse ich mir jetzt nicht nehmen. Das Publikum belohnte dieses Maß an Authentizität mit riesigem Beifall.

Die letzte Poetin war Laura Hamm mit ihrem Titel „Gedankenautobahn“. Sie setzte Chaos im Kleiderschrank mit der Gedankenautobahn im Kopf gleich und kam zu dem Schluss: Das Genie beherrscht das Chaos und sie beherrscht ihre Gedankenautobahn.

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